[6] Reisen

Freitag morgen, 10:56 Uhr in der Nähe von Alberobello, der "Trulli"-Stadt, ganz alleine auf einem einsamen Campingplatz zwischen 5 Katzen, Gänseblümchen, neben einer Ameisenstraße. Robert singt Henry im WoMo schief in den Vormittagsschlaf und das Spülzeug vom Frühstück stapelt sich auf dem Tisch.

Wir hatten einen schönen Morgen mit Schlafen bis halb neun (!) und haben dann auf der Wiese unter den Pinien mit Henry Katzen beobachtet und er hat diese zum ersten Mal gestreichelt und am Schwanz gezogen.  Robert und ich sind begeistert von der Muße, die wir uns heute gönnen. welch ein schöner Reisemorgen. 

diese Gedanken haben mich gerade unter der Dusche dazu bewogen, übers Reisen nachzudenken.  "es sind weniger die Begegnungen mit anderen Menschen, mit fremdem Essen oder unbekannten Kulturen, die eine Reise ausmachen, sondern die Begegnung mit sich selbst, die man sucht"' hat eine weise Person einst gesagt. Wenn das stimmt, ist das der Grund, weswegen wir 2 Monate mit Henry auf Reisen gegangen sind? um mich / uns zu finden? und Robert und Henry gleich dazu? wäre das zu Hause nicht möglich gewesen? 

mein Herz macht einen Sprung bei dem Gedanken daran und stimmt zu. ja, so genau so ist das. Jede Reise ist ein bißchen eine  nach innen. zu sich selbst oder zur Familie oder dem Partner. und zeigt damit auch, was man gerade sucht. ob Familienurlaub auf einem Bauernhof in der Eifel, Rucksackreise durch Kambodscha, Robinson-Club in der Türkei oder eben Wohnwagen in Apulien - alles eine Form von Sehnsucht. die Sucht nach dem Sehnen, die Suche von sich Selbst. Während die Backpackingreisen nach Südostasien die Suche nach ein Stückchen Thrill und Risiko sind, sind die klassischen Flitterwochen im 5-Sterne-Hotel wohl die Definitions- und Findungsphase einer möglichst romantischen Beziehung. (sind wir deswegen in die Flitterwochen auf eine ziemliche Hara-Kiri-Action/Adventure-Tour mit Vulkanbesteigung und Schildkröten-Tauchen nach Ecuador gefahren??) 

also was suchen wir hier? auf einer grünen Wiese in Apulien? eine kleine, möglichst heile Familie, die sich fernab von Stadtwald-Spaziergang und Scheuem Reh-Besuch, Babyschwimmen und Betreuungsgeld, Dienstwagen-Diskussion und Dunst über Köln definieren kann. die Katze zu meinen Füßen guckt hoch und nickt. Hört sich gut an. Die Ameisen flitzen fleißig weiter entlang ihres Transportweges. Brauchen Tiere keine Reisen, weil sie keine Sehnsucht spüren?